Die Posamente

Aus der Gedenkschrift zum 75jährigen Bestehen der Firma „Wussing & Freund“ 15.10.1955 vom damaligen Geschäftsführer Herbert Wußing:

Mitten im Herzen Sachsens, in einer schönen und waldreichen Gegend, liegt, selbst in Grün eingebettet, einer der ältesten Betriebe unserer Branche:
Die Posamentenfabrik- und Bandweberei Wussing & Freund.
Oft schon wurde ich gefragt, wie es möglich sei, daß dieser Industriezweig, der sonst nur im Erzgebirge, im Großröhrsdorfer Gebiet und in Wuppertal Barmen zu finden ist, sich hier niedergelassen hat.
Da in Waldheim die Sitzmöbelindustrie sehr stark verbereitet ist, die viel Posamenten benötigt, begann mein Großvater –Carl Hermann Wussing- zunächst am Obermarkt am 1.Mai 1862 handwerklich die Herstellung von Posamenten.
Nachdem durch die Aufnahme von Teilhabern der Betrieb vorübergehend Wussing & Heine und später Wussing & Übel genannt wurde, trat am 15.Oktober 1880 Herr Freund als Gesellschafter in die Firma ein.

Seit jenem Zeitpunkt nennt sich die Firma „Wussing & Freund“.
Die Herstellung, die inzwischen maschinell betrieben wurde, setzte sich vor allem zusammen aus: Möbelschnüren, Möbelborten, Gardinenhaltern und Gardinenbesätzen.
1887 trat bereits Herr Freund aus der Firma wieder aus.
Da aber der Name des Betriebes einen guten Klang bekommen hatte, wurde der Firmenname seitdem beibehalten.

Hier ein kurzer Überblick der Entwicklung unseres Betriebes:
1892: Alfred Wussing, der älteste Sohn des Gründers, trat als Gesellschafter ein.
1897: Curt Wussing, der 2. Sohn des Gründers, trat als Teilhaber ein, während am 19. August desselben Jahres der Gründer seine Augen schloß.
1898:1899: Kauf des Grundstückes in der Mittweidaerstr. 23 und Bau des neuen Fabrikgebäudes. Aufnahme der Fabrikation von Kleiderschutzborten.
1906: Erweiterung des Fabrikgebäudes
1914-1918: Der 1. Weltkrieg brachte einen starlen Rückgang der Fabrikation mit sich. Viele Mitarbeiter wurden eingezogen und Rohstoffe waren nur schwer zu beschaffen. Durch Herstellung von Bändern aus Papiergarn und durch Eröffnung einer Annahmestelle von Brennesseln – die zur Erzeugung von Ersatzfasern dienten – wurde der Betrieb mühsam aufrechterhalten.
Nach Beendigung des 1. Weltkrieges wurde die Rohstofflage allmählich besser, so daß besonders nach Überwindung der Inflation, Handel und Wandel in unserem Betrieb wieder aufblühten. Und als jüngere Kräfte –die Söhne der Inhaber- die ältere Generation unterstützten, machte sich auch bei uns ein stetiges Vorwärtskommen bemerkbar.
1925: Friedrich Wussing – Sohn von Alfred Wussing – trat als Gesellschafter ein.
1930: Ausbau der Galonabteilung
1932: Herbert Wussing – Sohn von Curt Wussing – trat als Teilhaber ein, nachdem er bereits seit 1930 im Betrieb tätig war.
1935: Alfred Wussing starb 72-jährig, nachdem er seine Arbeitskraft bis kurz vor dem Tode dem Betrieb gewidmet hatte.
Während wir in den Jahren 1930-1939 sehr stark mit Gardinenfranse, Gardinenbesätzen, Gardinenhaltern, Möbelschnüren und Möbelborten beschäftigt waren, fiel dieser Fabrikationszweig
1939-1945: während des 2.Weltkrieges fast vollkommen aus und wir konnten einen Teil der Arbeitskräfte – viele waren wiederum eingezogen, bzw. dienstverpflichtet – durch Herstellung verschiedenartiger Bänder beschäftigen.
1945-1955: Nach Beendigung des 2. Weltkrieges stand der Betrieb einer völlig neuen Situation gegenüber: Rohstoffe waren kaum noch vorhanden und der Nachschub von Material stockte fast ausnahmslos. In Kurzarbeit, durch Besticken der von uns hergestellten Bänder zu modischen Trachtengürteln wurden die Krisenzeiten bis 1948 einigermaßen überwunden.
Es gelang uns dann, als die Planwirtschaft aufgebaut wurde, mit eingeschaltet zu werden, so daß Rohstoffe reichlicher zuflossen.
Seit 1952 beteiligen wir uns als Aussteller an der „Leipziger Messe“, wodurch die Nachfrage nach unseren Erzeugnissen noch größer geworden ist.
1948: Curt Wussing – mein Vater – der an und für sich 1938 in den Ruhestand getreten war, mich aber während des Krieges vertrat, verstarb.
1949: Durch das tragische Ableben meines Vetters und Teilhabers Friedrich Wussing, der sich während der langen Dauer seiner Tätigkeit sehr für die Belange des Betriebes und der Belegschaft eingesetzt hatte, machte sich eine grundlegende Änderung in der Führung des Betriebes notwendig: Die offene Handelsgesellschaft wurde aufgelöst und unter Beibehaltung des Firmennamens als Einzelfirma fortgeführt.
Nicht nur der Initiative des Gründers und seiner Nachfolger ist das Bestehen und die ständige Weiterentwicklung des Betriebes zu Danken, sondern auch dem Fleiß und der Tüchtigkeit langjähriger Mitarbeiter sowohl an den Maschinen als auch am Schreibtisch. […]